| „Ohne meine Frau wäre ich wahrscheinlich in der Gosse gelandet.“

André Rieu im Interview mit Marcel Mainz

André RieuHerr Rieu, Sie haben zunächst als klassischer Geiger und Ensemblemitglied gearbeitet. Was hat Sie dazu bewogen, Ihr eigenes Orchester zu gründen und wie riskant war dieser Schritt damals?

Es war immer mein Traum, mit meinem eigenen Orchester um die Welt zu reisen. Und die Musik spielen zu können, die mein Herz berührt. Mein Orchester und ich sind eine große Familie, viele meiner Musiker sind seit dreißig Jahren bei mir. Die Stimmung bei uns ist ganz anders als in einem klassischen Orchester, viel  fröhlicher, näher und familiärer.

 

Gab es auf dem Weg zum internationalen Erfolg Phasen des Zweifelns oder Scheiterns? Und wie haben Sie persönlich auf solche Herausforderungen reagiert?

Am Anfang haben die Manager und Labels zu mir gesagt: „Geh nach Hause und spiel für deine Großmutter!“ Die Einzige, die an mich geglaubt hat, war meine Frau Marjorie. Sie hat in der Anfangszeit als Lehrerin für Deutsch und Italienisch das Geld für unsere Familie verdient. Ohne meine Frau wäre ich wahrscheinlich in der Gosse gelandet.

 

Ihr Markenzeichen ist die populäre Aufbereitung klassischer Musik. War diese zugängliche Inszenierung von Anfang an Teil eines künstlerischen Konzepts oder hat sich das mit Ihrem Publikum entwickelt?

Weder noch. Ich wollte Musik spielen, die mein Herz berührt, denn ich wusste, dass sie dann auch die Herzen meines Publikums berühren würde. Arien beispielsweise verändere ich nicht, wir spielen sie so, wie sie komponiert wurden. Aber ich mische mein Programm. Walzer, Schlager, Opern, Filmmusik – für mich ist nicht von Bedeutung, ob ein Stück von Strauss oder Michael Jackson geschrieben wurde. Gute Musik gibt es aus allen Jahrhunderten.

 

André Rieu Top MagazinWenn man in so vielen Ländern gefeiert wird, welchen Stellenwert nimmt die eigene Heimat dann ein?

Meine Heimat Maastricht ist für mich das Zentrum meines Lebens. Hier sind meine Familie, meine Freunde und meine Wurzeln. Unsere Sommerkonzerte im Juli sind das Highlight des Jahres für mein Orchester und mich. Ich würde niemals woanders leben wollen, Maastricht hat alles!

 

Sie leben und arbeiten bis heute in Maastricht. Was bedeutet Ihnen die Grenzregion zu Aachen?

Wir sprechen alle Niederländisch, Deutsch, Französisch … ich finde es toll, in einer Grenzregion zu wohnen. Meine Frau Marjorie und ich schauen fast ausschließlich deutsches Fernsehen. Das ist doch das Schöne an Europa: Die Vielfalt!

 

Wie erleben Sie den kulturellen Austausch zwischen Maastricht und Aachen? Sehen Sie Ansatzpunkte einer intensiveren Zusammenarbeit?

Was die Musik angeht, gibt es für mich keine Grenzen. In meinem Orchester und Chor sind von Anfang an viele Musiker aus dem Raum Aachen und Köln dabei. Wir verstehen uns alle sehr gut.

 

Könnten Sie sich vorstellen, ein grenzüberschreitendes Musikprojekt ins Leben zu rufen, vielleicht ein gemeinsames Festival mit Künstlern aus Aachen, Maastricht und Lüttich?

Wir haben oft Musiker aus der ganzen Region bei meinen Vrijthof oder Weihnachtskonzerten in Maastricht, zum Beispiel in den großen Chören oder bei den Tänzern.

 

Sie touren weltweit und erreichen Millionen Menschen. Wie gelingt es Ihnen, den Kontakt zu Ihren Wurzeln in Maastricht zu bewahren?

Wir sind nie länger als ein bis zwei Wochen auf Tour, also mehr als die Hälfte des Jahres bin ich zu Hause. Viele meiner Orchestermusiker haben kleine Kinder. Außerdem spielen wir im Juli und Dezember herrliche Konzerte in Maastricht, ich finde es wunderbar, dass auch die Weihnachtskonzerte in der Kongresshalle zu einer Tradition geworden sind. Mit über 700 Künstlern, darunter Orchester, Solisten, Eistänzer, Tänzer, Chor – und 12.000 Zuschauern jeden Abend – die Stimmung ist fantastisch.

 

Zum Abschluss: Wenn Sie einen Walzer komponieren müssten, der Aachen und Maastricht musikalisch verbindet, wie würde er klingen?

Positiv, beschwingt, fröhlich und ein bisschen nostalgisch.

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