| „Ich sehe mich nur als Randerscheinung“

Ein Gespräch mit Robert Moonen, der Stimme Aachens – nicht nur am Tivoli

Von Fußball bis Fashion, vom DJ – Pult bis zum Mikrofon im Stadion: Robert Moonen ist vieles – nur nicht leise. Seit über 50 Jahren begleitet er als Stadionsprecher die Höhen und Tiefen von Alemannia Aachen. Sein Lebenslauf liest sich wie ein Aachener Stadtroman. Ein Besuch bei einem Mann, der nicht nur die Stimme des Tivoli ist, sondern auch die Seele vieler Aachener Erinnerungen.

Herr Moonen, wir müssen mit Fußball anfangen – wie könnte es anders sein. Wissen Sie noch, wie alles begann?

Ich wünschte, ich könnte ein konkretes Datum nennen. Aber nein, es war irgendwann im Herbst 1973,dabin ich zum ersten Mal offiziell ans Mikrofon gegangen. Vertretungsweise. Der eigentliche Stadionsprecher war damals gesundheitlich angeschlagen, und die Vereinsfunktionäre fragten mich, ob ich aushelfen könne. Ich hab’ einfach „Ja“ gesagt. Dass das malüber50Jahre werden würden, war da natürlich nicht abzusehen.

Und seither kein Spiel verpasst?Robert Moonen

Tatsächlich nicht. Einmal war ich so heiser, dass ich die Pressekonferenz danach nicht mehr moderieren konnte–aber ich war da. Am Tivoli fehlt man nicht. Ich sage immer: Ich gehöre zum Inventar.

Wie war der alte Tivoli im Vergleich zum neuen Stadion?

Der alte Tivoli war eng, ruppig, roh–aber voller Charakter. Die Kabinen waren mehr Abstellräume, der Spielertunnel eng wie eine Waschküche. Da standen sich Spieler Schulter an Schulter gegenüber, da war der Respekt vor dem Heimteam fast körperlich spürbar. Und unsere Jungs wussten das zu nutzen–die haben im Tunnel ordentlich Lärm mit den Riffelblechen gemacht und beim Walk-In ins Stadion kräftig dagegengetreten. Das war Psychologie pur und der Gegner ging schon mit ordentlich Respekt und Schiss auf den Platz. Heute ist alles größer, sauberer, professioneller–aber dieser Schweiß-und-Traditions-Charme, den vergisst man nicht.

Trotz aller Zurückhaltung: Viele Fans verbinden Alemannia untrennbar mit Ihrer Stimme

Das höre ich natürlich öfter. Wer heute 60 ist, kennt den Tivoli nicht ohne mich. Aber ich habe mich nie in den Vordergrund gedrängt. Ich sehe mich als Rahmengeber–nicht als Showact. Es gibt Stadien, da wird bei jedem Tor der Name des Schützen dreimal gebrüllt – das ist so gar nicht meins. Ich will kein Eventsprecher sein, sondern das Spiel begleiten, respektvoll, nah am Publikum. Bei uns kommen 98 Prozent der Leute wegen des Fußballs – und nicht wegen Tanzeinlagen des Sprechers.

Sie waren aber nicht immer nur Stadionsprecher, sondern auch Geschäftsmann, DJ, Clubbetreiber…

(lacht) Ja, mein Leben war nie eindimensional. In den 60ern war ich DJ im Le Bistro am Dahmengraben – da liefen die Stones, Beatles, Soul und Funk. Später war ich Mitgründer und Geschäftsführer des legendären Club Zero. Den kennen die älteren Semester noch. Das war der Laden in Aachen direkt am Spielcasino. Und ja, da habe ich auch mal Otto Waalkes mit seiner Begleitung nicht reingelassen–wegen unpassender Kleidung. Die Presse hat sich draufgestürzt. Heute wäre das wohl ein viraler TikTok-Hit.

Wie war das mit Otto?

Er trug schwarze Lederhosen und T-Shirt plus Turnschuhe, ein No Go im Casino. Die Regeln galten für alle. Dresscode war bei uns kein Gag, sondern Teil des Konzepts. Er hat’s übrigens mit Humor genommen. Aber ich glaube, der Abend war für ihn gelaufen.

Dann kam der Wechsel in die Modebranche – ein nahtloser Übergang?

1987 habe ich einen Damen- und Herrengeschäft mit hochwertiger und ausgefallener Mode an der Peterstraße übernommen und rund 30 Jahre geführt. Mode war für mich nie oberflächlich – sie ist Ausdruck von Haltung. Ich habe die Kundinnen und Kunden beraten, nicht einfach nur verkauft. Aachen ist ein anspruchsvolles Pflaster für den Einzelhandel, aber auch ein herzliches. Ich habe es geliebt. Heute kämpfe ich weiterhin für eine lebendige Innenstadt – gegen Leerstände, für inhabergeführte Läden, für mehr Mut zur Investition. Wer nur das Negative sieht, übersieht die Chancen.

Zurück zum Fußball: Gibt es einen Moment, der Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Dreimal hintereinander gegen Bayern München gewonnen – das ist fast surreal. Beim dritten Mal habe ich gedacht, das Universum spielt verrückt. Es gibt viele schöne Erinnerungen, aber diese Serie gegen die Bayern – das war magisch. Auch das Pokalfinale 2004 in Berlin, oder das erste Geisterspiel 2004 gegen Nürnberg. Ich habe trotzdem wie immer die Zuschauerzahl durchgegeben – „21 Pressevertreter, 60 Ordner“. Ironie hilft in solchen Momenten.

Robert MoonenWas war Ihr kuriosester oder bewegendster Moment am Mikro?

Einmal hat mich der Schiedsrichter Markus Merk nach einem Spiel gegen Waldhof Mannheim persönlich in der Kabine aufgesucht, um sich zu bedanken. Ich hatte damals im Stadion sachlich erklärt, warum seine – sehr umstrittene – Entscheidung korrekt war. Das hat die aufgeheizte Stimmung deutlich entschärft. So etwas vergisst man nicht. Emotionen sind im Fußball erlaubt, aber sie brauchen auch Grenzen.

Wie gehen Sie mit Druck um – Sie eröffnen ja jedes Heimspiel, geben den Ton an.

Ich selbst spüre keinen Druck. Ich kenne den Ablauf, ich vertraue meinem Team – und ich weiß, was ich zu sagen habe. Aber für Spieler, Schiedsrichter oder Trainer ist das etwas anderes. Wenn du vor über 25.000 Zuschauern unten auf dem Rasen stehst, spürst du jeden Blick, jeden Atemzug. Das ist ein physischer Druck. Deshalb habe ich großen Respekt vor allen, die da unten stehen.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Alemannia – und für sich selbst?

Für die Alemannia wünsche ich mir Stabilität, eine kluge Vereinsführung und die Rückkehr in die 2. oder gar 1. Liga, das wäre ein Traum. Das Potenzial ist da, die Fans sowieso. Für mich selbst? Gesundheit. Und dass ich das Mikrofon irgendwann mit einem Lächeln an jemanden übergeben kann, der die gleichen Werte mitbringt: Respekt, Leidenschaft, Demut – und ein gutes Gespür für Timing.

Lieber Robert Moonen, vielen Dank für dieses kurzweilige Interview.
Wir wünschen Ihnen für die Zukunft vor allem Gesundheit und noch viele tolle Erlebnisse am Tivoli.

Robert Moonen
Robert Moonen

Geboren 1946, gelernter Sozialversicherungsfachwirt, Ex-DJ, Modehändler, Stadionsprecher, Clubbetreiber, Aachener Lokalheld.

Ein Mann, der viel gesehen, viel gehört –und viel zu erzählen hat. Seine Stimme bleibt. Nicht nur am Tivoli. Seit 1973 ist er ununterbrochen Stadionsprecher von Alemannia Aachen – und damit eine Institution im deutschen Fußball.

Moonen war Mitbetreiber des legendären Aachener Club Zero, DJ der 60er-Jahre und bis 2017 erfolgreicher Einzelhändler an der Peterstraße. Seine Liebe zur Stadt, zum Fußball und zur Kultur zieht sich durch alle Lebensstationen. Er steht für klare Worte, leisen Humor und eine spürbare Leidenschaft für das, was Menschen verbindet – auf dem Platz und daneben.

Eine Aachener Stimme, die man nicht vergisst.